Ernährungsberatung Connie Jimbo

Gedanken zu Verwestlichung, globalen Krisen und dem Gehirn

24.06.2024

In der Forschung gilt die „westliche Ernährung“ als Ursache für viele Zivilisationskrankheiten. Prinzipiell ist sie der Inbegriff „ungesunder“ Ernährung: ein hoher Anteil an Fertigprodukten, viel Zucker, viel Fett und gesättigte Fettsäuren, eine hohe Energiedichte (also viele Kalorien pro Gramm) und wenig Nährstoffe. Diese Faktoren können einzeln oder im Zusammenspiel Übergewicht und Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen oder sogar Krebs verursachen. Ich führe diesen Gedanken nun noch einen Schritt weiter, dass unsere gesamte „zivilisierte“ westliche Kultur grundlegend die Ursache für die aktuell immer sichtbarer werdenden Schäden in globalen Sozial- und Ökosystemen, und auch unserer eigenen Gesundheit ist. So wie verarbeitete Industrieprodukte die ursprünglichen gesundheitsförderlichen Kochtraditionen verdrängen, verdrängt auch der Materialismus die Verbindung zur Erde, unseren Mitmenschen und uns selbst.

Was wissen wir eigentlich?

In der westlichen Welt gehen wir oft davon aus, dass unsere Vorstellung von Intelligenz, die überwiegend auf Analytik und Intellekt basiert, normal sei. Wir stellen sie nie in Frage. Die Vorstellung an sich ist nicht falsch. Schwierig wird es, wenn wir dann denken, dass dies anderen Verständnissen und Kulturen überlegen sei und wir dazu in der Lage sind, die Welt umfassend zu verstehen und Dinge „beweisen“ zu können. In verschiedenen asiatischen Kulturen beispielsweise hat die Definition von Intelligenz viel mehr mit Empathie zu tun als mit analytischen Fähigkeiten. Großteile der westlichen Kultur basieren auf dem Missverständnis, dass wir existieren, weil wir denken. Als sei Bewusstsein ein Nebenprodukt von Gehirnaktivität. Jeder Mensch, der einmal im Leben auf dem Meditationskissen saß, weiß: man kann auch an nichts denken, und hört trotzdem nicht auf, zu existieren. Genauso ist die materialistische Weltanschauung der westlichen Wissenschaft nur das: eine Weltanschauung. Sie hat ihre Daseinsberechtigung, da sie auf der Systematisierung der menschlichen Wahrnehmung basiert. Sie hat insofern eine Schwäche, als dass wir einfach davon ausgehen, dass wir alles, was es gibt, mit Sinnen, Synapsen und von Menschen erstellten Messgeräten wahrnehmen und erkennen können. Was wir nicht wahrnehmen, existiert in dieser Ansicht nicht. Wenn wir aber historisch zurückblicken, und uns anschauen, wie falsch die frühen Wissenschaftler und Theoretiker lagen – wie falsch könnten wir heute liegen? Wie viel mehr könnte es geben, von dem wir gar nicht wissen, dass wir danach fragen müssten, einfach weil es uns unsere eingeschränkten Sinne nicht wahrnehmen lassen?

Eine Diskussion über die Definition von Wissen würde hier wahrscheinlich zu weit führen, über die Philosophien dazu schreibe ich mal einen eigenen Blogeintrag. Besonders in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, als die moderne Wissenschaft, so wie wir sie heute kennen, einen Aufschwung erfuhr, wurde unter Wissenschaftlern und Philosophen lebhaft darüber diskutiert. Ich stelle hier einfach nur mal Fragen in den Raum: was bedeutet „Wissen“ für dich? Woher weißt du, dass du etwas weißt?

Wieso halten wir andere Weltanschauungen für "falsch" oder "minderwertig"?

In Teilen wird der „Unwissen“-Faktor in der Wissenschaft zumindest anerkannt. Vielen Forschern ist bewusst, dass sich Forschungslücken nie endgültig schließen. Zumindest gehört es zum guten Ton, in der Schlussfolgerung zu schreiben, welche weitere Forschung immer noch benötigt wird. Aus anderer Perspektive geht die Gesellschaft und auch die Forschung an sich aber davon aus, dass Wissenschaft absolut ist und nicht infrage gestellt werden darf. In diesem Paradox entsteht ein Spannungsfeld. „Ich glaube nur das, was ich sehe“, hört man in Gesprächen sehr oft. In vielen Zeitungsartikeln liest man Sätze wie „Wissenschaftler haben bewiesen“ oder „eine Studie zeigt“. Die Tendenz, vom Mainstream abweichende Ideen komplett zu verwerfen, halte ich für am schädlichsten in dieser Hinsicht. Durchbrüche wurden doch rückblickend oft von Personen erreicht, die von ihren Zeitgenossen für verrückt erklärt wurden. Andere Weltanschauungen haben außerdem auch eine Daseinsberechtigung. Viele davon basieren nicht auf Materialismus, sondern beispielsweise auf Spiritualismus oder der Intelligenz der Natur. Für mich ist die zentrale moralische Frage: schade ich damit jemandem, direkt oder indirekt? Wenn nein, dann ist jede Weltanschauung in Ordnung. Unsere aktuelle materialistische, kapitalistische Weltanschauung schadet uns aber mittlerweile allen mehr, als dass sie weiteren Fortschritt bringt. Nachdem sie lange gewisse Weiterentwicklungen gebracht hat, überwiegen mittlerweile ihre Nachteile den durchaus vorhandenen Vorteilen. Und sie hat, beginnend seit der Kolonialisierung, zunehmend in fast allen Ländern der Erde Einzug gehalten, somit andere Weltanschauungen verdrängt und die Welt aus der Balance geworfen.

Das menschliche Ego und das Sicherheitsgefühl

Hier sehe ich das Grundproblem, das wir heute haben: das persönliche Ego regiert uns. Jeder will derjenige mit der größten Ressourcenansammlung sein, sei das nun Geld oder Anerkennung. Am liebsten beides. Das hat in der Geschichte der Welt ständig zu Krisen geführt, und mittlerweile funktioniert es gar nicht mehr. Wir versuchen, andere Menschen und Systeme dahingehend zu manipulieren, dass sie bei unserer Agenda mitmachen, damit wir uns in scheinbarer Sicherheit fühlen. Wir denken, wir könnten den Lauf der Natur beherrschen, ob das in unserem Körper, in unserem Garten, oder in globaler Sicht ist. Aber unser Verständnis für den menschlichen Körper und unser Leben ist genauso begrenzt wie das für die Natur, die uns umgibt. Wenn wir dann noch in der Politik nach Ursachen suchen, denken wir komplett in die falsche Richtung. Die jetzige Politik und ihre Manifestationen auf der Weltbühne sind Symptome unseres eigenen kollektiven Bewusstseinszustandes, nicht dessen Ursache. Jeder einzelne von uns ist verantwortlich. Aktivismus bringt nichts, wenn er nicht direkt mit einer gehörigen Portion Selbstreflektion einhergeht. Ansonsten ist er ein Verdrängungsmechanismus, mit dem wir es uns viel zu einfach machen, indem wir einfach Schuldige außerhalb von uns für unsere Probleme suchen. In dem Moment, in dem wir mit dem Finger auf andere zeigen und uns in „die“ und „wir“ spalten, werden wir Teil des Problems. Gewalt und Verurteilung mit Moral zu rechtfertigen, weil „wir die Guten sind“ und „später dann“ Frieden ist, ist eine Argumentationsweise von Dikatoren. Das Ego regiert und es ist ein Diktator. Es regiert in jedem einzelnen von uns und wir finden es völlig normal. Es geht aber auch anders.

Chancen in den Krisen finden sich in der Akzeptanz der Ungewissheit