Forschungslücke Frauenkörper - Teil II
15.02.2024
Dies ist die Fortsetzung zum Blogeintrag von Mitte Dezember 2023, in dem ich auf Diskrepanzen in der Forschung zwischen Männern und Frauen hingewiesen habe, und die Implikationen, die das für Frauen hat.
Hier werde ich nun wie versprochen ein wenig die Erkenntnisse beleuchten, die es zum Thema Frauengesundheit und Ernährung aktuell gibt. Dazu habe ich mich besonders auf den Menstruationszyklus beschränkt, also sozusagen die gesunde Frau jungen und mittleren Alters. Häufige Störungen und Missempfindungen, die damit verbunden auftreten, beispielsweise das prämenstruelle Syndrom, nehme ich mit auf. Für die Ernährung bei beispielsweise Brust- oder Eierstockkrebs gibt es so viele Erkenntnisse, dass ich sie aus Umfangsgründen jetzt erst einmal außen vor lasse.
Die 1980er
Zwei Studien habe ich aus den 1980er Jahren gefunden, bei dem negative Einflüsse einer vegetarischen Reduktionsdiät auf die Hormonregulation während des Zyklus beobachtet werden (3), bzw. ein Jahr später eine Studie, bei der eine relativ extreme Energierestriktion mit vegetarischer Ernährung wenig Einfluss auf den Zyklus hatte, wobei hier insbesondere auch Unterschiede in Altersgruppen beobachtet wurden (5). Das ist also alles noch für unsere Fragestellung wenig aussagekräftig, und man sieht den Studien auch an, wie anders das Ansehen von vegetarischer Ernährung, Reduktionsdiäten und Frauen an sich damals war. Ich frage mich auch ernsthaft, ob eine Studie mit vorgeschriebenen maximal 1000 kcal pro Tag, wie durch Schweiger et al. (1987, Quelle 5) durchgeführt, heute vor der Ethikkommission noch Bestand haben würde.
Aktuellere Studien seit 2019
Dazwischen, seit Ende der 80er bis Ende der 2010er gibt es zeitlich irgendwie eine relativ große Publikationslücke. Lasst mich gerne wissen, falls Ihr zufällig Studien findet, die ich übersehen habe.
Heutzutage wird der Einfluss der Ernährung auf den Menstruationszyklus häufig im Zusammenhang mit Profi-Athletinnen untersucht. Hier gibt es beispielsweise ein narratives Review (7), aus dem auch für allgemeine Ernährungsempfehlungen ein paar Erkenntnisse hergeleitet werden können. Beispielsweise ist in der follikulären Phase, also während der Tage bis zum Eisprung, der Abbau von Fett und Eiweiß geringer und im Verhältnis die Verstoffwechslung von Kohlenhydraten höher. Auch wird weniger Kohlenhydrat in seiner Speicherform Glycogen in Leber und Muskeln gespeichert. In der zweiten Zyklushälfte, der Lutealphase, sind hingegen die Verhältnisse umgekehrt. Mehr Fett und Eiweiß wird oxidiert, mehr Kohlenhydrat gespeichert, und durch die leicht erhöhte Körpertemperatur ist auch der Grundumsatz in dieser Zeit etwas höher. Mit „etwas“ fassen die Autor/innen hier 2,5-11,5% mehr in der Lutealphase zusammen (vgl. Wohlgemuth et al. 2021, S. 6) Eine Ernährungstechnik zur Leistungsverbesserung, die auf Kohlenhydraten basiert, ist die sogenannte Glycogen-Superkompensation. Diese funktioniert in der ersten Zyklushälfte besser, wenn der Stoffwechsel verhältnismäßig mehr auf Kohlenhydraten basiert (vgl. Wohlgemuth et al. 2021, Fig. 2). In dieser Studie wird auch nochmals darauf hingewiesen, dass die Körperzusammensetzung von Frauen und Männern inhärent unterschiedlich ist, wobei Frauen einen wesentlich höheren Körperfettanteil haben. Die Studie ist frei im Internet verfügbar und es werden auch ein paar beispielhafte Ernährungspläne vorgestellt.
Rogan & Black haben erst im vergangenen Jahr, also 2023, ein narratives Review darüber veröffentlicht, wie unterschiedlich die tatsächliche Energieaufnahme bei Frauen entlang des Zyklus eigentlich ist. Das Ergebnis: es ist schlecht erforscht und hier ist mehr Forschung nötig. Genaue Aussagen sind natürlich ohnehin nicht möglich, die individuelle Situation und Körperzusammensetzung ist immer auch zu berücksichtigen. Die Aufnahme von mehr Energie in der Zyklushälfte wird hier aber bestätigt. Es wird von bis zu 10 kcal/kg fettfreie Körpermasse mehr gesprochen. Konkret ist von 159 bis 529 kcal pro Tag mehr die Rede. (4)
Zum Thema PMS
Vom prämenstruellen Syndrom (PMS) sind verhältnismäßig viele Frauen betroffen. Auch hier tut sich natürlich die Frage auf, ob man mit der Ernährung etwas tun kann. Kurze Antwort: die Ernährung spielt eigentlich bei allem eine Rolle. Beispielsweise könnte es helfen, bei PMS auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin D und Calcium zu achten (1). Insgesamt kommt aber auch bei diesem Thema eine Übersichtsarbeit von Siminiuc und Turcanu aus dem vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass die Forschungslage zu diesem Thema
extrem schlecht ist. Gewisse Spurenelemente und Vitamine könnten positive Auswirkungen haben, das haben sie aber ohnehin meistens. Generell besteht hier eine ziemlich große Forschungslücke. Auch diese beiden Autorinnen betonen, dass die Ernährung definitiv eine Rolle bei der Linderung der PMS-Symptome hat, aber welche genau und wie wir gezielt vorgehen können, um unsere Symptome zu lindern, dazu hat noch kaum jemand geforscht (6).
Beim polyzystischen Ovar-Syndrom (PCOS) wurde in einer kleinen Studie der Einfluss von einer Low-Carb-Diät sowie der traditionellen mediterranen Ernährungsweise untersucht. Die Ergebnisse sind zwar als vorläufig zu sehen, und es wurden lediglich übergewichtige Patientinnen untersucht. Jedoch gibt es hier hoffnunggebende Ergebnisse, dass sich bei dieser prospektiven Studie bei beiden Diätformen im Vergleich zum Ausgangszustand einige Werte, die für Fruchtbarkeit und Regelmäßigkeit des Zyklus repräsentativ sind, verbessert haben (2). Dabei stelle ich jetzt einfach mal eine Frage in den Raum, da die „mediterrane Ernährungsweise“, einfach nur eine vollwertige, ballaststoffreiche und frische Küche darstellt (dazu sollte ich vielleicht den nächsten Blogeintrag schreiben, damit ihr euch mehr darunter vorstellen könnt, in der Ernährungswissenschaft ist die mediterrane Küche nämlich nicht Pizza oder Bifteki) – in wiefern verbessert die Umstellung auf eine vollwertige Ernährung auch einfach den gesamten Gesundheitszustand?
Fazit: es gibt wenig "gesicherte" Erkenntnisse zu diesem Thema
Insgesamt ist das ein ziemlich frustrierendes Recherchethema. So gut wie jede Studie, die ich zu diesem Thema gelesen habe, beginnt mit irgendeiner Variation von „viele Frauen sind betroffen, das Thema ist schlecht erforscht“ und einige Reviews ziehen nach einer Analyse der vorhandenen Literatur auch nochmals dieses Fazit. Ein wenig besser sieht die Lage aus bei zyklus-angepassten Trainingsplänen, also wenn es um die Anpassung des Sportprogramms geht. Sprich, ich kann aus der ernährungswissenschaftlichen Sicht aktuell auch kein anderes Fazit ziehen als „viele Frauen sind betroffen, die Themen sind aber alle nicht besonders gut erforscht“. Als relativ „gesichert“ gelten ein höherer Energiebedarf in der zweiten Zyklushälfte, und der verstärkte Fokus auf Fett- und Proteinabbau im Vergleich zur ersten Hälfte.
(1) Abdi F, Ozgoli G, Rahnemaie FS. A systematic review of the role of vitamin D and calcium in premenstrual syndrome. Obstet Gynecol Sci. 2019 Mar;62(2):73-86. doi: 10.5468/ogs.2019.62.2.73. Epub 2019 Feb 25. Erratum in: Obstet Gynecol Sci. 2020 Mar;63(2):213. PMID: 30918875; PMCID: PMC6422848.
(2) Mei S, Ding J, Wang K, Ni Z, Yu J. Mediterranean Diet Combined With a Low-Carbohydrate Dietary Pattern in the Treatment of Overweight Polycystic Ovary Syndrome Patients. Front Nutr. 2022 Apr 4;9:876620. doi: 10.3389/fnut.2022.876620. PMID: 35445067; PMCID: PMC9014200.
(3) Pirke KM, Schweiger U, Laessle R, Dickhaut B, Schweiger M, Waechtler M. Dieting influences the menstrual cycle: vegetarian versus nonvegetarian diet. Fertil Steril. 1986 Dec;46(6):1083-8. PMID: 3096794.
(4) Rogan MM, Black KE. Dietary energy intake across the menstrual cycle: a narrative review. Nutr Rev. 2023 Jun 9;81(7):869-886. doi: 10.1093/nutrit/nuac094. PMID: 36367830; PMCID: PMC10251302.
(5) Schweiger U, Laessle R, Pfister H, Hoehl C, Schwingenschloegel M, Schweiger M, Pirke KM. Diet-induced menstrual irregularities: effects of age and weight loss. Fertil Steril. 1987 Nov;48(5):746-51. doi: 10.1016/s0015-0282(16)59523-5. PMID: 3117591.
(6) Siminiuc R, Ţurcanu D. Impact of nutritional diet therapy on premenstrual syndrome. Front Nutr. 2023 Feb 1;10:1079417. doi: 10.3389/fnut.2023.1079417. PMID: 36819682; PMCID: PMC9928757.
(7) Wohlgemuth KJ, Arieta LR, Brewer GJ, Hoselton AL, Gould LM, Smith-Ryan AE. Sex differences and considerations for female specific nutritional strategies: a narrative review. J Int Soc Sports Nutr. 2021 Apr 1;18(1):27. doi: 10.1186/s12970-021-00422-8. PMID: 33794937; PMCID: PMC8015182.